Schnöde Neue Welt - jeden zweiten Dienstagabend im Café Knallhart
10. Oktober 2023, von Kulturreferat

Foto: AStA/L. Schneider
Die Welt ist immer noch schnöde! Deswegen muss die Veranstaltungsreihe, die ihre Schnödnis kartographiert, auch dieses Jahr wieder stattfinden. Schnöde neue Welt ist deine Chance, Grundbegriffe linker Gesellschaftskritik kennen zu lernen. Schnöde neue Welt schrubbt den Glanz von der Scheiße. Schnöde Neue Welt ist für dich da, wenn du noch gar keine Ahnung hast, enttäuscht dich aber auch nicht, wenn du die Dialektik der Aufklärung als Kopfkissen verwendest. Schnöde neue Welt ist eine Trash-Party ohne Ironie. Erscheint zahlreich.
Hier eine Übersicht der einzelnen Veranstaltungen, die über das Wintersemester stattfinden werden.
24.10 - Grundlagen der Kapitalismuskritik (findet in der T-Stube statt!)
Gruppen gegen Kapital und Nation. Die Gruppen gegen Kapital und Nation sind eine bundesweite linke Organisation. Die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen versuchen die bürgerliche Gesellschaft theoretisch zu durchdringen und die Ergebnisse in verständlicher Form unter die Leute zu bringen. Antinationale und andere Texte finden sich auf: www.gegner.in
So hätten sich utopische Science-Fiction-Fans vergangener Tage die Welt im 3. Jahrzehnt des neuen Jahrtausends vermutlich nicht vorgestellt:
Trotz modernster Anbaumethoden verhungern auch im Jahr 2023 weltweit täglich tausende Menschen; in Deutschland sind Millionen Menschen auf die Ausgabe abgelaufener Lebensmittel durch Tafeln angewiesen, Tendenz steigend.
Vom Burnout bis zur kaputten Wirbelsäule – psychische und körperliche Erkrankungen sind auch in einer hoch-technisierten Arbeitswelt an der Tagesordnung – während in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt öfters ganze Minen oder Fabrikhallen über den Köpfen der darin Arbeitenden zusammenkrachen.
Künstliche Intelligenz und Robotik entwickeln sich vielleicht tatsächlich so kühn wie in den Zukunftsromanen und -filmen von früher. Aber es erwartet eigentlich niemand, dass KI und Automaten, die den Menschen ja Arbeit abnehmen, die Arbeitszeit tatsächlich verkürzen oder angenehmer gestalten. Viel eher werden sie zu mehr Gehetze und Kontrolle auf der einen und zu mehr Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite führen.
Wieso aber herrscht so viel Armut trotz einer so produktiven Industrie und Landwirtschaft? Und wieso erleichtert neue Technik das Arbeiten überhaupt nicht?
Folgende These soll in der Veranstaltung begründet werden: Die beschriebenen Zustände gibt es wegen der Zwecke und Prinzipien der herrschenden Wirtschaftsform, dem Kapitalismus. Armut und ein ruinöses Arbeitsleben haben System, sie sind notwendiges Ergebnis eines funktionierenden Kapitalismus – das hat Karl Marx vor 150 Jahren ganz richtig herausgearbeitet.
Die zentralen Bausteine des Kapitalismus – Privateigentum, Geld, Kapital und Lohnarbeit – sollen daher kritisch unter die Lupe genommen und über die Kritik daran diskutiert werden.
7.11 - Eine intersektionale Perspektive auf akademisierte Räume
FÄLLT LEIDER AUS!!!
21.11 - Eine Kritik des Rufs nach Frieden
Frederike Engelhardt. Frederike Engelhardt ist eine freie Autorin für die New Critique - Zeitschrift für & wider, das gesellschaftskritische Blatt des AStA der UHH.
"Das Gespräch über den Krieg in der Ukraine ist hierzulande meist deckungsgleich mit der Fragestellung, für wen man zu sein habe. Da greifen zwei Staatsmächte, zur Durchsetzung ihres jeweilig eigenen Interesses gegen das andere, zum Mittel des Krieges, schicken ihre Landsleute bewaffnet in den Kampf und die einzige Frage, die sich gestellt wird, ist: Welcher Seite drücke ich die Daumen? Da ist man, als ferner Beobachter, konfrontiert mit Bildern der Zerstörung von Land und Leuten und anstatt sich der Frage zu widmen „Wozu das Ganze?“ geht man über jeden Kriegsgrund hinweg, um nur unbedingt zu wissen, welcher Partei die ungeteilte moralische Unterstützung gebührt.."
Die Veranstaltung soll sich um die Frage der Parteinahme in Kriegsfragen drehen. Hierzu wird sich auf den in der zuletzt erschienenen Ausgabe der New Critique veröffentlichte Artikel "Gegen die Solidarität" von Frederike Engelhardt bezogen, den Artikel findet ihr hier.
5.12. - Das Kapital in der Geschichte - ist Marxismus noch relevant?
Platypus. Die Platypus Affiliated Society organisiert Lesekreise, öffentliche Veranstaltungen, Vorträge, Forschung und Journalismus im Hinblick auf überkommene, ungelöste Probleme und Aufgaben der “Alten” (1920er-30er), “Neuen” (1960er-70er) und post-politischen (1980er-90er) Linken und der Möglichkeiten für emanzipatorische Politik heute.
Mitte des 19. Jahrhunderts stellten Marx und Engels bekanntlich fest, dass ein "Gespenst in Europa spukt: das Gespenst des Kommunismus". 170 Jahre später ist es der Marxismus selbst, der uns heimsucht, während der Kapitalismus bestehen bleibt. Was bedeutet es, dass Marx und der Marxismus immer noch attraktiv sind, während die politischen Bewegungen für den Sozialismus schwach oder nicht vorhanden sind? Was waren die ursprünglichen Punkte des Marxismus in Bezug auf radikale Möglichkeiten der Freiheit und was heißt es heute daran festzuhalten?
19.12. - Die Linke nach der Postmoderne
Roger Behrens.
Infos folgen.
9.1. - Racial Capitalism? Einführung in die Diskussion über das Verhältnis von Rassismus und Kapitalismus
Leo Roepert. Leo Roepert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kritische Theorie, Rechtspopulismus/Neue Rechte, Rassismus und Antisemitismus.
In jüngster Zeit gibt es verstärkte Bemühungen, marxistische und materialistische Rassismusanalysen weiterzuentwickeln. Der Vortrag gibt einen Überblick über zentrale theoretische Konzepte wie Racial Capitalism, Überausbeutung, Enteignung, Klassenspaltung und Hegemonie und diskutiert ihre Reichweite und Probleme.
23.1. - Zum linken Antisemitismus (findet um 19 Uhr in Hörsaal J des ESA 1 statt!)
Wolfgang Kraushaar.
Jegliche Beurteilung antisemitischer Vorfälle nach 1945 kann nicht davon abstrahieren, dass die Judenfeindschaft zuvor in die schlimmste aller nur denkbaren Konsequenzen geführt hat – in die praktische Umsetzung der von staatlicher Seite intendierte und dann systematisch betriebene Vernichtung der europäischen Juden. Angesichts der unleugbaren Faktizität dieses Makroverbrechens wurde der Post-Holocaust-Antisemitismus mit einem Tabu belegt. Wer in der Bundesrepublik antisemitisch auftrat, der musste damit rechnen, angeprangert und womöglich strafrechtlich verfolgt zu werden. Um sich dem zu entziehen, sind allerdings rasch Semantiken entwickelt worden, mit denen die judenfeindlichen Affekte implizit weiter betrieben werden konnten und – wie die Affäre Aiwanger verrät – noch immer können. Dieser verbreiteten Praxis hat die Forschung mit dem Begriff des sekundären Antisemitismus Rechnung zu tragen versucht. Adorno sprach im selben Zusammenhang spezifischer noch von einem Schuldabwehrantisemitismus. Demnach tritt die Judenfeindlichkeit häufig in Gestalt einer Abwehrform auf. Das gilt insbesondere für die Linke, zwar nicht in ihrer Gesamtheit, aber zumindest für bestimmte Teile von ihr. Normativ betrachtet stellt die Rede vom linken Antisemitismus ja eigentlich eine Aporie dar. Manche meinen deshalb sogar, dass es ihn apriori gar nicht geben könne. In empirischer Hinsicht jedoch muss man sich eines Besseren belehren lassen.
Der Antisemitismus von links lauert, wie Jean Améry das bereits vor über einem halben Jahrhundert beklagt hat, wie das Gewitter in der Wolke. Seine am weitesten verbreiteten Varianten sind die Zionismus- und die
Israelkritik. Das aber macht die Kritik wie die Abwehr zu einer hermeneutischen Angelegenheit, zu einer Sache der Interpretation. Wodurch läuft die Kritik gegenüber einem Staat, der Einwänden gegenüber, zumal im Angesicht einer rechtsnationalen Regierung wie der Netanyahus, ja nicht sakrosankt sein darf, Gefahr, in eine antisemitische Haltung umzukippen?