Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg statt „Critical Thinking“ übers TötenStatement zum 20. (Aus-)Bildungskongress der Bundeswehr in Hamburg
31. August 2025
Wir als AStA der Uni Hamburg wollen Lehre für gesellschaftlichen Fortschritt und Verbesserung des Zusammenlebens, nicht für die effizienteste Kriegsführung! Darum halten wir es für unerlässlich, dass Forschung unberührt von militärischen Zwecken, Interessen und unabhängig von militärischen Geldern passiert. Der AStA stellt sich gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und des Studiums. Während die Bundesregierung Milliardenpakete für Rüstungsunternehmen und die Bundeswehr zusammenschnürt, Unternehmen subventioniert und die Gesellschaft für einen möglichen Krieg vorbereitet, gehen die Universitäten leer raus. Auf der einen Seite ist genug Geld für die Aufrüstung da, auf der anderen Seite sind Universitäten wie die UHH, sowie das Stwhh und die Stabi, seit Jahren marode und unterfinanziert. Die enorme Aufrüstung zeigt, dass der politische Wille fehlt, das Geld in uns und unsere Bildung zu investieren.
Stattdessen nimmt der Druck auf die Universitäten zu, sich für Konzerne, insbesondere Rüstungsunternehmen, und die Bundeswehr zu öffnen. In diesem Zusammenhang wird auch die Zivilklausel angegriffen, die in Hamburg nur für die MIN-Fakultät gilt. Wir wollen diese dagegen verteidigen und ausbauen. Wir wollen nicht für militärische Zwecke, auch nicht im Dual-Use-Modus, forschen!
Vor dem Hintergrund aktueller sicherheitspolitischer Entwicklungen halten wir es für notwendig, eine klare Position zum zunehmenden militärischen Ausbau und zur damit verbundenen gesellschaftlichen Verschiebung zu beziehen. Den 20. (Aus-)Bildungskongress der Bundeswehr vom 02.- 04. September an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr hier in Hamburg sehen wir in diesem Kontext als Beitrag zur weiteren gesellschaftlichen Normalisierung von kriegerischen Vorhaben.
Besonders eine geplante Keynote der Veranstaltung demonstriert, in welchem Ausmaß militärische Angriffe ihrer Bedeutung und Zerstörungskraft enthoben werden und stattdessen als vermeintlich rein methodische Herausforderungen diskutiert und so normalisiert werden. Zum Thema „Extracting Order from Chaos. Lessons Learned from Military Design in an Eight-Front War“ soll Dr. Ofra Gracier sprechen – sie ist Co-Instructor des „Generals’ Course“ der Israelischen Streitkräfte (IDF), die in dieser Rolle höherrangige Offiziere auf Aufgaben im Generalstab vorbereitet. Geplant ist die Betrachtung der militärischen Handlungen der IDF seit dem 07. Oktober 2023 hinsichtlich ihrer „shortcomings and triumphs“ in Anwendung der Methode des Military Design Thinking. Was bei einem Krieg mit 75.200 zivilen palästinensischen Toten innerhalb von drei Monaten1 als „triumph“ zu loben sei und was als „shortcoming“ abgetan werden könne, bleibt uns eine offene Frage. Die Verwendung solcher Begriffe in diesem Kontext erscheint uns höchst problematisch und verlangt nach öffentlicher Einordnung und kritischer Reflexion.
Uns stellt sich die Frage, wie die Strategie einer Armee, deren Kriegshandlungen von verschiedenen unabhängigen Menschrechtsorganisationen, UN-Ausschüssen sowie in der internationalen Genozidforschung2 als völkerrechtswidrig oder sogar Genozid eingestuft werden, als Lehrmaterial in wissenschaftlichen Kontexten herangezogen werden können.
Diese und weitere Veranstaltungen nehmen sich aktuelle Kriege zum Vorbild und bagatellisieren dabei die damit einhergehende Zerstörung von Menschenleben, Ökologie und kulturellen, sozialen, infrastrukturellen Lebensgrundlagen. Auch im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung muss Respekt vor dem Leben der gewaltbetroffenen Menschen und den bereits verstorbenen Zivilist*innen gegeben sein. Als staatliche Institution ist auch die Universität der Bundeswehr angewiesen, sicherzustellen, dass durch ihr Handeln keine Völkerrechtsverstöße legitimiert oder anderweitig möglich gemacht werden. Dazu gehört selbstverständlich ebenso das Handeln ihrer Kooperationspartner und geladenen Gäste. Das Völker- und Menschenrecht gilt auch an und für die Helmut-Schmidt-Universität!
Auf erste öffentliche Kritik an der Keynote folgte lediglich eine ausweichende Antwort seitens der Veranstaltenden einer weiteren Veranstaltung auf der Gracier sprechen sollte. Eine Antwort der Leitung der Helmut-Schmidt-Universität als Gastgeberin oder eine Ausladung blieben aus. Man wolle auf die „methodischen Schwierigkeiten von Military Design Thinking innerhalb militärischer Institutionen hinweisen“. Konsequenzen ziehen will man nicht. Stattdessen wurde stillschweigend der Name Graciers sowie die besonders verwerflichen und hier kritisierten Formulierungen aus dem Programm gestrichen.
Wir verurteilen die bisherige Ausblendung kritischer Stimmen und fordern eine transparente Auseinandersetzung seitens der Universitätsleitung. Eine Absage der Keynote sowie eine öffentliche Stellungnahme halten wir für notwendig. Die komplizierte Geschichte der Lage in Palästina/Israel muss öffentlich und auf Basis des Völker- und Menschenrechts diskutiert werden. Nicht hinter verschlossenen Türen in einer militärischen Sperrzone, zu der die Helmut-Schmidt-Universität gehört, was die Öffentlichkeit ausschließt und kritische Stimmen verhindert. Doch wir bleiben aufmerksam und beziehen Position - denn genau dafür genießen wir Bildung!
Quellen:
1. Unabhängige und repräsentative Studie: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2025.06.19.25329797v4.full-text
2. Papiere von Amnesty International, Human Rights Watch, dem UN-Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken