Stellungnahme des AStAs zur Schriftlichen Anfrage der AfD(Drucksache 21/16575 /siehe Anhang) zum Kongress "Emanzipatorische Perspektiven unter Druck von Rechts"(12. – 14.04.) an der Universität Hamburg
22 March 2019

Photo: AStA UHH
…und schon wieder nervt die AfD!
Bereits in der Ankündigung zu unserem dreitägigen Kongress haben wir darauf verwiesen, dass seit geraumer Zeit auch die Universität im Fadenkreuz der Rechten steht. Bisher waren es vermehrt kritische Wissenschaftsansätze wie die der Queer- und Gender Studies sowie die Klimaforschung oder studentische Freiraumkultur, welche unter öffentlichen Druck durch AfD und Co. gerieten (1).
Dieser Tage erreichte uns nun eine Schriftliche Kleine Anfrage der Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion, welche explizit das antifaschistische und antirassistische Engagement einer kritischen Studierendenschaft an den öffentlichen Pranger stellen soll.
Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um Stellung zu nehmen und einige Punkte klar zu ziehen.
Der Kongress
Das Erstarken extrem rechter Parteien und außerparlamentarischer Akteure in allen Teilen der Welt hat uns, verstanden als Teil einer entschlossenen Zivilgesellschaft, vor neue Herausforderungen gestellt. Ja, gewohnte Methoden antifaschistischer Arbeit funktionieren nicht mehr so wie früher, was insbesondere auch damit zutun hat, dass sich der politische Gegner veränderte. Die Faschist*innen von heute treten nicht mehr mit Glatze und Springerstiefeln, sondern im Tweed-Jacket mit Dackel-Krawatte in den Parlamenten auf. Sie sind nun „seriös“ und „etabliert“, was bedauerlicherweise zur Folge hat, dass rechte Inhalte schneller Einzug in den gesellschaftlichen Diskurs finden.
Deshalb machen wir uns Gedanken und wollen neue Strategien erarbeiten, wie wir die rechte Hegemonie durchbrechen können. Ganz bewusst haben wir im Vorfeld richtungsweisender Wahlen (EU 26.05./Sachsen und Brandenburg 01.09. /Thüringen 27.10.) ein breites Spektrum antifaschistischer Akteure, von der radikalen bis zur bürgerlichen Linken, eingeladen, um über gemeinsame Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Zum Interesse der AfD
Zu aller erst möchten wir uns für das umfangreiche Interesse der Hamburger AfD an unserem dreitägigen Kongress bedanken. Zum wiederholten Male sehen wir uns hier mit einer Schriftlichen Anfrage konfrontiert, welche banaler und wahnwitziger kaum sein könnte.
Im Nachfolgenden möchten wir daher einige Punkte der SKA aufgreifen.
Der Verfassungschutzbericht
Offensichtlich ist es für die Damen und Herren der AfD ein riesiger Skandal, dass wir Vertreter*innen der Gruppen "Interventionistische Linke Hamburg" und „Gruppe gegen Nation und Kapital“ eingeladen haben, da diese doch im Verfassungsschutzbericht Erwähnung finden würden (2). Die Existenz zuletzt genannter Gruppierung ist uns zwar nicht bekannt, jedoch möchten wir an dieser Stelle nochmals an die Rolle des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex erinnern: Akten wurden geschreddert oder sind über Jahre hinweg unzugänglich für die Öffentlichkeit, Ermittlungsbehörden Informationen vorenthalten und Täter geschützt. Nicht erst nach der Enttarnung der V-Person Gerrit Greimann in der Basisdemokratischen Linken Göttingen sowie der Alternativen Linken Liste im November 2018 und der daraus folgenden Erkenntnis, dass auch Informationen aus hochschulpolitischen Kontexten erhoben wurden, war klar, dass der VS kein Teil einer Lösung, sondern Teil eines massiven strukturellen Problems ist.
Deshalb fordern auch wir das grundlegende Überdenken der Funktion des Verfassungsschutzes und stehen solidarisch an der Seite der Interventionistischen Linken, den Betroffenen Menschen in Göttingen, sowie allen Hinterbliebenen der zehn NSU-Opfer.
Die Vermittlung von „subkulturell linksextremistischen Handlungsweisen“ als Teil des Programms
Erst vor wenigen Tagen kam es in Hamburg-Eidelstedt zu einem Angriff dreier Männer auf einen 31-jährigen Menschen mit Migrationshintergrund (3). Die Polizei geht von einem fremdenfeindlich motivierten Überfall aus. Neonazistische und rassistische Übergriffe geschehen (leider) auch im sich als „weltoffenen“ inszenierenden Hamburg nicht selten, wobei vermehrt periphere Stadtteile betroffen sind. Um in einer kritischen Situation handlungsfähig sein zu können, wollen wir im Rahmen unseres Kongresses auch Grundtechniken der Selbstverteidigung vermitteln. Die AfD unterstellt jedoch, dass hier „Kampftechniken, mutmaßlich getarnt als „Selbstverteidigung“, eingeübt werden sollen“.
Vor diesem Hintergrund befragen wir die AfD-Bürgerschaftsfraktion: Welche Kampftechniken sollen denn wofür in einem 120-minütigen Workshop einstudiert werden? Welche Konsequenzen zieht ihre Partei hieraus?
Des Weiteren befragen wir Sie, in welchem Verhältnis das Absolvieren von Schießübungen ihres Bundestagsabgeordneten Petr Bystron mit extrem rechten Gruppierungen in Südafrika zu einem Selbstverteidigungskurs steht (4)?
Schulen und Lehramt unter Beschuss
Besonders spannend sind die Fragen unter 11. Und 12.: Hier möchte die AfD gerne wissen, „welche verfassungsfeindlichen Ideologie[n] des Linksextremismus“ in Lehrveranstaltungen vermittelt werden würden (inklusive Literaturliste). Insbesondere jene, die von Lehramtsstudierenden besucht werden (5). Schnell wird hier klar, dass sich die AfD enorm auf die Vermittlung von kritischen Inhalten an Universitäten und Schulen fokusiert hat.
Dies wurde nicht zuletzt im Fall der Ida Ehre-Schule in Hamburg-Hoheluft deutlich: Eine Schule, an der es eine breite und couragierte Schülerschaft gibt, welche sich als antifaschistisch versteht und für vielfältige politische Inhalte stark macht.
Die AfD bombardierte Schulleitung und Schüler*innen in kaum vergleichbarer Art und Weise mit einer 19 seitigen SKA mit dem Betreff „Verfassungsfeindliche linksextremistische Aktivitäten an der Ida Ehre-Schule unter Duldung des Lehrerkollegiums und der Schulleitung“(6).
Dem folgten die Mainstream Presse um Abendblatt und Bild und titelten „Linksradikale betreiben ungestört Propaganda an Schule“ oder „Antifa in Altona: Linke Gewalt-Propaganda an Hamburger Schule“ (7). An dieser Stelle möchten wir uns nicht nur noch einmal mit den Betroffenen, insbesondere der Antifa Altona Ost solidarisieren, sondern auch auf die Stellungnahme der Schulleitung verweisen. Dort heißt nämlich unter anderem
„ … dass wir als Schulleitung stolz sind, Teil einer politischen, antifaschistischen Schulgemeinschaft zu sein, die alles daran setzt, im Rahmen einer „Schule ohne Diskriminierung“ dazu beizutragen, Schüler*innen zu befähigen, die Geschicke der Welt als mündige Bürger*innen im Rahmen einer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung zu einem Besseren zu entwickeln.“ (8)
Als Allgemeiner Studierendenausschuss der Universität Hamburg sind wir uns einig: Es braucht mehr Ida Ehre-Schulen auf dieser Welt!
Ein paar Worte zum Abschluss
Im letzten und 24. Fragenpaket beteuert Dr. Alexander Wolf, stellvertretend für die AfD-Bürgerschaftsfraktion, folgendes:
„Das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg wie auch der Präses der Behörde für Inneres und Sport, Andy Grote, informierten in der jüngeren Vergangenheit offensiv die Öffentlichkeit über vermeintliche Verflechtungen von Hamburger AfD-Mitgliedern und Hintermännern der Hamburger „Merkel-Muss-Weg-Demonstrationen“, obwohl die AfD Hamburg oder eine ihrer Gliederungen zu keinem Zeitpunkt Beobachtungsobjekt waren oder sind. Zudem wurden keine Belege zu Mitgliedschaften der Organisatoren der MMW-Demo in extremistischen Organisationen nachgewiesen; die Behauptungen des Verfassungsschutzes stützten sich auf sogenannte subkulturell rechtsextremistische Hintergründe einzelner Organisatoren oder auf Berufsausübungen im sogenannten Türstehermilieu.“ (9)
Reges Interesse an der Veranstaltung hatten die Hamburger AfD-Funktionäre offensichtlich aber schon, als sie die Initiatorin der rechten „Merkel muss weg“-Kundgebungen, Uta Ogilvie, zu ihrer Veranstaltung „Fraktion im Dialog“ am 19.03.2018 (im unmittelbaren Anschluss an die rechte Versammlung) in das Hamburger Rathaus einluden (10).
Des Weiteren weisen Beobachtungsstellen und Recherecheportale darauf hin, dass AfD-Funktionäre wie Daniel Buhl aus Schleswig Holstein oder Marie-Thérèse Kaiser aus Niedersachsen gemeinsam mit Identitären, Thor Steinar-Träger*innen und NPD-Kadern als Teilnehmende der Kundgebung auftraten (11).
Es lässt sich festhalten, dass die AfD mehr und mehr daran interessiert ist, Einfluss auf Bildung und Wissenschaft zu nehmen. Dies begann mit der Installation der Meldeplattform für „Neutrale Schulen“, welche zuerst im Bundesland Hamburg startete, und generierte mit dem angesprochenen Fall der Ida Ehre-Schule in Hamburg-Hoheluft bundesweit erstmalig größere Aufmerksamkeit. An dieser Stelle haben Schüler*innen und Kollegium beispielhaft gezeigt, wie man die AfD mit ihren anmaßenden Aktionen ins Leere laufen lassen kann. Allerdings wurde hier auch deutlich, wie es der Partei gelingt, aufgrund von ein paar Aufklebern in einer Schule einen „massiven Skandal“ zu initiieren, welcher als solcher von einigen Jounalist*innen übernommen wurde und folglich zu einer erdrückenden negativen Öffentlichkeit führen konnte.
Die AfD verfolgt mit ihrer Strategie offensichtlich das Ziel, über Recht und Unrecht entscheiden zu wollen, wo sie sich selbst natürlich immer im erstgenannten sieht, und hier massiven Druck auf die Vermittlung von kritischen Inhalten an Schulen und Universitäten aufzubauen versucht. Die uns vorliegende SKA wird sicherlich nicht die letzte dieser Art gewesen sein, denn wir werden so lange gegen die AfD kämpfen, bis sie aus allen Parlamenten verschwunden und jedes Wahlkreisbüro in der noch so kleinen Provinzstadt geschlossen ist.
Antifaschismus ist und bleibt Zivilcourage!
AStA Universität Hamburg
Verweise:
(1) https://www1.asta.uni-hamburg.de/…/2019-02-20-kongress-eman…
(2) Verweis auf die Darstellungen der Erkenntnisse des VS sowie die Fragen 1, 2, 4, 7, 9, 19, 21, 22, 23 und 24 der Drucksache 21/16575.
(3) https://www.mopo.de/…/brutaler-angriff-mit-totschlaegern-pr…
(4) http://www.spiegel.de/…/petr-bystron-afd-fraktionsspitze-wi…
(5) Verweis auf die Fragen 11 und 12 sowie ferner auch 13, 14 und 15 der Drucksache 21/16575.
(6) Vgl. Drucksache 21/16417.
(7) https://www.abendblatt.de/…/Linksextremisten-betreiben-unge…
(8) https://www.idaehreschule.de/…/Stellungnahme_der_Schulleitu…
(9) Verweis auf 24. der Drucksache 21/16575.
(10) https://afd-fraktion-hamburg.de/…/initiatorin-der-ersten-a…/
(11) https://exif-recherche.org/?p=2346