Lucke lahm legenDer AStA Uni Hamburg zur Teilnahme an der Kundgebung gegen Bernd Luckes Rückkehr an die UHH auf
8 October 2019

Photo: AStA/UHH
Der AStA der Universität richtet am 16. Oktober 2019 von 10-13 Uhr eine Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Universität gegen die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit Bernd Luckes aus.
Der AfD-Mitgründer Bernd Lucke wird zum kommenden Wintersemester wieder an der Universität Hamburg lehren. Der 57-jährige kehrt damit zurück an seine alte Wirkungsstätte, welche er aufgrund der Wahl ins Europaparlament 2014 verlassen hat. Lucke wird als Professor im Fachbereich Volkswirtschaftslehre die Vorlesung „Makroökonomik II“ lesen, welche ab dem 16.10.2019 im Hauptgebäude (Edmund-Siemers-Allee) stattfindet.
Anlässlich dieses Umstands rufen wir, der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Hamburg, zur Teilnahme an der Protestkundgebung am Tag seiner Wiederantrittsvorlesung auf.
Bernd Lucke hat mit der Gründung der AfD eine Partei geschaffen, mit der heute eine Vielzahl emanzipatorischer Institutionen aus Kunst und Kultur, aber auch den Bildungsbereichen zu kämpfen hat. Dass der Mensch, der eine Mitverantwortung für die heutigen gesellschaftlichen Verwerfungen in Deutschland trägt, ohne weiteres in den wissenschaftlichen Betrieb zurückkehren kann, ist in unseren Augen unzumutbar.
Rechtsaußen tolerant?
Auch wenn Bernd Lucke schon während seiner Zeit an der Spitze der AfD stets beteuerte, selbst kein Rassist zu sein und solche Ressentiments in seiner Partei nicht zu dulden, fanden Personen aus derart charakterisierten Zusammenhängen früh Zugang zum Hamburger Landesverband: Jens Eckleben und Claus Döring emigrierten aus der antimuslimischen Partei „Die Freiheit (DF)“, Dirk Nockemann aus der Schill-Partei „Rechtsstaatliche Offensive“ in die AfD. Darüber hinaus konnten sogar die „HogeSa“- und „PEGIDA“-Sympathisantin Tatjana Festerling sowie die beiden ehemaligen NPD-Funktionäre Björn Neumann und Thorsten Uhrhammer (zumindest zeitweise) Mitglied im Hamburger AfD-Landesverband werden.
Als Lucke 2015 den Kampf um die Parteispitze und insbesondere den Kampf gegen „den Flügel“ rund um Björn Höcke verlor, verließ er die AfD und gründete zunächst die Partei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ aus der später die „Liberal-Konservativen Reformer (LKR)“ entstanden. Auf den ersten Blick gibt diese Partei ein gemäßigteres Bild als die AfD ab, doch diese Fassade bröckelt: Auf seiner Onlinepräsenz bewarb der Hamburger Landesverband regelmäßig die an verschiedenen Orten in der Innenstadt stattfindenden „Merkel muss weg“-Kundgebungen, welche als Hamburger PEGIDA-Ableger verstanden werden können.
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts wies bereits im Februar 2018 darauf hin, dass es sich bei dieser Versammlung um einen Zusammenschluss von Neonazis, rechten Türstehern sowie NPD- und AfD-Funktionären handelt. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte dies später und charakterisiert „Merkel muss weg“ als rechtsextremistisch.
(Markt)radikal neoliberal – Zweifel an der Neutralität der Lehre
Karim Kuropka, Erster Vorsitzender des AStAs der Uni Hamburg: „Bernd Lucke vertritt als Wirtschaftswissenschaftler ein Modell, welches einen schlanken Staat, den weiteren Abbau der Sozialsysteme und noch freiere Märkte fordert. In den letzten zehn Jahren und mit der weltweiten Finanzkrise hat sich jedoch gezeigt, dass die Ideologie freier Märkte gescheitert ist. So hat zum Beispiel der Mindestlohn in Deutschland nicht zu mehr Arbeitslosigkeit geführt. Der Sparzwang gegenüber den südeuropäischen Staaten hat nichts an der drastischen Jugendarbeitslosigkeit geändert sondern im Gegenteil, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort nachhaltig verschlechtert.“
Darüber hinaus ist Lucke der Initiator des „Hamburger Appells“, den vor der Bundestagswahl 2005 rund 250 Ökonomen unterschrieben. In dem extrem Arbeitnehmer*innenfeindlichen Papier plädierte er für höhere „Leistungsbereitschaft“. Eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage sei nur möglich durch noch niedrigere Entlohnung, längere Arbeitszeiten oder weniger Urlaub, so das Credo.
Die Hochschulgruppe Plurale Ökonomik Hamburg positioniert sich auf die Anfrage des AStA wie folgt: „Bernd Lucke vereint mit seiner brisanten politischen Vergangenheit den Schulterschluss aus Neoklassik und rechter Ideologie den wir seit vielen Jahren anprangern. Unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Neutralität und ökonomischer Expertise werden durch die neoklassische Theorie Egoismus statt sozialem Miteinander und Konkurrenz statt Kooperation propagiert. Frei nach dem Motto: "Wenn jede*r an sich selbst denkt, ist an alle gedacht".
Eine Neutralität sowie eine endgültige Wahrheit kann es insbesondere in den Sozialwissenschaften nicht geben. Die Neoklassik wirbt jedoch genau mit dieser. Das Menschenbild des Homo Oeconomicus, reduziert auf die reine rationale Nutzenmaximierung eines Menschen, ignoriert Machtgefüge. Gleichzeitig ist die scheinbar objektive Leistung eines Menschen stark durch gesellschaftliche Machtverhältnisse geprägt (Bildungszugang, Einkommensunterschiede, Einstellungschancen, Diskriminierungen, etc.). Bei gleichzeitiger Bewertung des Menschen nach seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit und der Blindheit gegenüber Machtverhältnissen unterstützt die Neoklassik somit die Marginalisierung und Diskriminierung bestimmter Gesellschaftsgruppen. Dies legitimiert u.a. den Fremdenhass einer Partei wie der AfD.“
Der AStA der Uni Hamburg und die Plurale Ökonomik fordern eine Vielfalt der Forschung und Lehre und damit einhergehend eine Offenlegung der Annahmen bei der Produktion von Wissen. Die Persona Lucke lehnen wir ab, mit dem Verweis, dass er und die AfD ein Extrembeispiel der ideologiegelenkten Wissenschaft darstellt, die fälschlicherweise unter dem Begriff der Wertneutralität in der Neoklassik propagiert wird.
Wir wollen Bernd Luckes Rückkehr nicht unkommentiert lassen und unseren Unmut am Tag seiner Wiederantrittsvorlesung (16.10.19, ESA B) ab 10 Uhr vor dem Hauptgebäude (Edmund-Siemers-Allee 1) lautstark zum Ausdruck bringen!