Referat für Antidiskriminierung distanziert sich von Naida Pintul und der Veranstaltung "Queerfeminismus und Islam - eine feministische Kritik"
5 December 2019, by Referat für Antidiskriminierung

Photo: AStA/UHH
Die Stellungnahme wurde am 12.12.2019 aktualisiert.
Referat für Antidiskriminierung distanziert sich von Naida Pintul und der Veranstaltung "Queerfeminismus und Islam - eine feministische Kritik"
Das Antidiskriminierungsreferat des AStAs der Universität Hamburg distanziert sich hiermit von der Veranstaltung „Queerfeminismus und Islam - eine Feministische Kritik“ von Naida Pintul am 07.12.2019. Konkret veranlasst haben uns dazu die wiederholt deutlich transfeindlichen Aussagen der Referentin in der Vergangenheit, insbesondere in sozialen Medien. Entsprechende Belege derartiger Positionen werden untenstehend dokumentiert.
Solche Einstellungen und Ansätze stellen für uns keine Basis für eine fundierte und differenzierte Ideologie- bzw. Identitätskritik aus feministischer Sicht dar. Viel mehr zeugt es von einem höchst problematischen Feminismusverständnis, das konstruierte biologische Kategorien manifestiert und so die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse, die die Referentin zu bekämpfen vorgibt, ermöglicht. Dies soll im Folgenden kurz erläutert werden:
In ihren Analysen, wie z.B. in einem gemeinsamen Artikel mit Janina Marte (1) (erschienen in der Jungle World 04/2019) deutlich wird, baut die Argumentation auf der pathologischen Gegenüberstellung der Kategorien 'echter, biologischer', also cis-Frau und Transfrau auf. Dem Jungle World Artikel zufolge, müsse bei Transfrauen zwischen „post-OP-Transfrauen“ und solchen, die sich keinem medizinischen Eingriff unterzogen, differenziert werden. Letztere würden durch die nicht vorhandene geschlechtsangleichende Operation eine Bedrohung für cis-Frauen darstellen. Dies ist sowohl für nicht-binäre Transmenschen als auch für jene Menschen ein Problem, die sich schlichtweg keinen medizinischen Eingriffen unterziehen wollen oder können.
Naida Pintul meint zu wissen, was jemanden dazu qualifiziert 'wirklich' trans zu sein und bestärkt dadurch ein biologistisch-binäres Weltbild.
In das Zentrum ihrer Kritik stellt Pintul dabei die Sicherheit der cis-Frau, deren Schutzräume durch Transfrauen akut bedroht werden würden. So seien Frauen in diesen Räumen Übergriffen durch Transfrauen ausgesetzt, da sie durch die gewalttätigen Muster einer „männlichen Sozialisiation“ geprägt seien.Dass die Sozialisation einer Transperson jedoch vor allem von dem Bewusstsein geprägt ist, keinen Platz in der Gesellschaft zu haben und sich einer von außen aufgezwungenen Rolle unterordnen zu müssen, wird dabei verkannt. Von der Konfrontation psychischer und physischer Gewalt aus dem Umfeld, gar nicht zu sprechen.
Indem Pintul sich deutlich auf das Narrativ von Transfrauen als Täterinnen bezieht, ermöglicht sie zudem rechts-konservativen Kräften den Anschluss an die von ihr vertretene Theorie. Vergleichbare theoretische Instrumentalisierungen durch rechts-konservativer Weltbilder zeigen sich beispielsweise in der US-amerikanischen Debatte um die sog. „Transgender Bathroom Panic“(2). Demnach entstünde durch die Öffnung von Toiletten für Trans-Menschen die Gefahr, dass cis-Männer diese Räume zur sexuellen Belästigung von Frauen ausnutzen würden. Die gleiche Argumentation findet sich in Pintuls Artikel in Bezug auf Frauenhäuser und Frauengefängnissen wieder.
Die vermeintliche Notwendigkeit, Transfrauen sollten sich eigene Räume schaffen, spricht diesen nicht nur die eigene Geschlechtsidentität ab, sondern grenzt sie auch explizit aus.
Darüber hinaus folgt aus Pintuls Analysen das Problem, dass sie unter dem Deckmantel vermeintlich feministischer Theorie bestehende Machtverhältnisse manifestiert. Durch den Rückgriff auf biologistisch abgeleitete Geschlechterkategorien reproduziert sie Kategorien, die die Funktion einer Ausbeutung und Unterdrückung ermöglichen. Identitäten, die aus dieser Dichotomie herausfallen, werden dadurch implizit ausgegrenzt und weiter stigmatisiert. Schutzräume können in dieser Logik überhaupt nicht gewährleistet werden, weil die Betroffenen in die Unsichtbarkeit gedrängt werden. Gleichzeitig wird ihnen jegliche Sprechfähigkeit genommen. In diesem Fall geht Pintul sogar weiter und konstuiert eine daraus entstehende Bedrohung.
Als Antidiskriminierungsreferat können und wollen wir dies nicht mittragen. Wir lehnen einen Feminismus ab, der zum vermeintlichen Schutz der cis-Frau jegliches 'Andere', was aus der biologistischen Dichotomie herausfällt, dämonisiert. Die Anschlussfähigkeit solcher Argumentationslogiken zu rechten Ideologien wird ferner in der Debatte um die Kölner Silvesternacht und der darin prominenten Position von Alice Schwarzer sichtbar, die das rassistische Narrativ der Bedrohung der 'westlichen emanzipierten' Frau durch den muslimischen Mann aufzugreift (3).
Wir sind bereit, eine Ideologie- und Identitätskritik zu äußern, die sich mit bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzt. Gleichzeitig erkennen wir, dass die zunehmende Ausdifferenzierung ein gesamtgesellschaftliches Phänomen beschreibt. Eine Fokussierung auf Transpersonen stellt für uns eine Instrumentalisierung von Ideologiekritik und Feminismus zulasten bereits stigmatisierter Gruppen dar. Kämpfe, wie sie von der queeren Community geführt werden, verschaffen dieser eine Sprechfähigkeit und Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Positionen wie die Naida Pintuls konstituieren und reproduzieren hingegen trans-feindliche und diskriminierende Ideologien und stellen für uns in diesem Sinne selbst eine Form der Identitätspolitik dar.
Stattdessen vertreten wir einen Feminismus, der maßgeblich von queerfeministischen und antirassistischen Ideen geprägt ist, sich also verschiedenster Diskriminierungsformen bewusst ist und für die Überwindung des Patriarchats in einem gemeinsam geführten Kampf einsetzt.
Quellen:
(2) https://psmag.com/news/who-birthed-anti-trans-bathroom-panic
Darüber hinaus empfehlen wir:
https://de.indymedia.org/node/43854
https://missy-magazine.de/blog/2019/10/22/ein-bettlaken-geht-um-in-europa/
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