Von netten Worten können wir uns nicht ernähren, Herr BundespräsidentStudie des AStA zur sozialen Lage der Studierenden
14 April 2021, by Sally Rikke Bohm

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Für viele Studierende beginnt nun das dritte Semester in den eigenen vier Wänden. Die Ansprache des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Montag, den 12. April demonstriert Offenheit, den Angelegenheiten der Studierenden zuzuhören. Allerdings reicht reines Zuhören nach wie vor nicht aus. Es braucht immer noch und vielleicht endlich einmal konkrete Hilfe von Seiten der Politik. Ein Großteil der neuen Studierenden hat die Universität noch nie von innen gesehen und die Kommiliton*innen nur online kennengelernt.
Um einen Einblick in die Studien- und Lebenssituation der Studierenden während der Corona-Pandemie zu bekommen, hat der AStA der Universität Hamburg eine Umfrage durchgeführt, an der 5.168 Studierende teilgenommen haben. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Pandemie Studierende finanziell und psychisch besonders belastet. Die Detailergebnisse dazu finden sich auf unserer Website.
Finanzielle und psychische Situation der Studierenden
43,1% der Studierenden gaben an, sich kaum oder gar nicht auf das Studium vorbereitet zu fühlen, weder psychisch noch physisch. Finanzielle Sorgen belasten viele der Studierenden noch zusätzlich. 32% teilten uns mit, dass sie ihren Job verloren haben, da besonders studentische Jobs, wie in der Gastronomie und Eventbranche während der Lockdown-Maßnahmen wegfielen. 27,7% der Befragten mussten Schulden bei ihrer Familie oder Freund*innen aufnehmen und 14,5% machen sich akut Sorgen um die eigene finanzielle Absicherung. Diese andauernden Existenzsorgen wirken sich massiv auf die psychische Gesundheit aus.
Zusätzlich zu den finanziellen Sorgen ist es eine weitere Belastung für die Studierenden, seit über einem Jahr in den eigenen vier Wänden nahezu eingesperrt zu sein. Viele haben nur wenige oder keine Ausweichmöglichkeiten zum eigenen Zimmer und dies schlägt sich auch in der Umfrage nieder. 25,5% der Befragten berichten, dass ihnen kein ausreichender und ruhiger Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Abgesehen von dem Wunsch, Kommiliton*innen treffen zu können, ergaben sich für viele Studierende zusätzliche Verpflichtungen, da sie sich verstärkt um Angehörige und Kinder kümmern mussten, wie 27,2% angaben.
Ein dringliches Anliegen ist daher, dass die Universität die Bibliotheken und Lernräume, wieder öffnet, wie sie es im letzten Sommer schon getan hat. Die Studierenden brauchen diese Räume, um sich adäquat auf ihr Studium konzentrieren zu können und aus den eigenen vier Wände rauszukommen. “Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen in erschreckender Deutlichkeit, wie Studierende in dieser Pandemie von der Politik im Stich gelassen werden. Jedes abgebrochene Studium und jede private Verschuldung ist eine vermeidbare Tragödie gewesen, es fehlt jedoch der politische Wille”, so Leo Schneider, erster Vorsitzender des AStA der Universität Hamburg.
Erhöhte Anforderungen im Online-Studium
Auch die Durchführung der digitalen Lehre gestaltet sich problematisch. Im Einzelnen bemängeln 40,7%, dass es keine festen Ansprechpartner*innen bei der Online-Lehre gibt. Zudem fehlt es 11,2% der Teilnehmer*innen an angemessener und ausreichender technischen Ausrüstung für die digitale Lehre. Studierende wenden sich an den AStA und berichten von einer enormen Aufgaben- und Fristenlast in den vergangenen Semestern. Zudem wird das Niveau und die Anzahl an Aufgaben in solch einem Maße erhöht, dass die gestellten Aufgaben 40% der befragten Studierenden überfordern. Dazu kommt, dass der digitale Campus unübersichtlich ist und für manche Veranstaltungen sogar mehrere Plattformen genutzt werden. Die fehlende konsequente Struktur der digitalen Lehre macht das Online-Semester zu einer noch größeren Herausforderung für alle.
BAföG-Öffnung
Für die finanziellen Sorgen gibt es Lösungen, jedoch fehlt hier nach wie vor der politische Wille, die Studierenden ernsthaft zu unterstützen. Wir fordern daher, dass BAföG für alle geöffnet wird, die sich in finanzieller Not befinden. AStA Vorsitzender Leo Schneider erklärt: “Statt bei den finanziellen Hilfen nachzubessern und die prekäre Lebenssituation der Studierenden in allen Belangen ernst zu nehmen, wurden Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben und Studierende mit halbgaren Lösungsansätzen vertröstet. Diese Zahlen sind kein Weckruf, sie sind eine Bilanzierung des Politikversagens. Hinter jeder dieser Zahlen steht eine zerstörte Zukunft, ein Leben in Existenzangst.”
Medienkontakt:
Sally Rikke Bohm
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Presse
sally.bohm"AT"asta.uni-hamburg.de
Link zur Auswertung der Umfrage