Lehrende und Studierende kritisieren schlecht geplante 2G-Einführung an der Universität Hamburg
7 December 2021

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Das Präsidium der Universität Hamburg hat entschieden, dass ab dem 6. Dezember 2021 Präsenzlehre ohne praktische Anteile bis auf weiteres nur noch unter den Bedingungen von 2G durchzuführen ist. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt ausschließlich geimpfte oder genesene Studierende und Lehrende an Präsenzlehrveranstaltungen der Universität Hamburg teilnehmen dürfen. Wissenschaftliche Personal und Studierende kritisieren dieses Vorgehen, da die Verantwortung für die Organisation und Durchführung von 2G-Veranstaltungen nun allein den Lehrenden aufgebürdet wird. Es ist zu befürchten, dass die Präsenzlehre aufgrund des damit verbundenen unverhältnismäßig hohen zeitlichen und technischen Aufwands faktisch eingestellt werden wird.
Nach den neuen Regelungen ist beispielsweise die Kontrolle des Impfstatus grundsätzlich durch die Lehrpersonen durchzuführen. Ebenso sollen die Lehrpersonen eigenständig die Nachverfolgung organisieren.
„Eine Fortführung von Präsenzlehre unter diesen Bedingungen ist für viele Lehrende nicht umsetzbar. Die Kontrolle aller Personen einer Vorlesung ist allein zeitlich durch eine einzelne Lehrperson nicht zu leisten“, so Dr. Sören Deister, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät und Teil der Mittelbau Initiative. "Es ist richtig und wichtig, dass auch die Hochschulen ihren Teil zur Bekämpfung der Pandemie beitragen und die Ansteckungsrisiken für alle Beteiligten minimiert werden. Eine einseitige Lösung auf den Schultern der Lehrenden ohne entsprechende Unterstützung durch die Unileitung lehnen wir aber ab. Langfristig droht die Gefahr einer Umwandlung der Universität Hamburg in eine Fernuni. Das wäre weder für die Studierenden noch für die Lehrenden wünschenswert.“
Nach der neuen Regelung muss außerdem eine Online- oder Hybrid-Umsetzung der Lehrveranstaltung erfolgen, wenn nicht alle Studierenden geimpft sind. Effektiv zwingt diese Regelung Lehrende dazu, ihre Veranstaltungen ausschließlich online anzubieten, weil vielfach die technischen Voraussetzungen für eine Hybride-Lehre fehlen. Beispielsweise sind Smartboards nicht mit Hybridtechnik ausgestattet, Raummikrofone zur Aufnahme der Anwesenden fehlen oder eine Kopplung der Saalmikrofone an die Laptops der Dozierenden ist nicht möglich.
„Dass nach 3 Semestern Online-Lehre immer noch die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für Hybrid-Lehre und eine effektive Kontaktnachverfolgung fehlen, offenbart ein krasses organisatorisches Versagen seitens der Universität Hamburg. Schüler:innen und Studierende mussten die letzten eineinhalb Jahre genug unzureichende Digital-Lehre akzeptieren. Gesellschaftlich wurde entschieden, dass Schulen und Universitäten unter den gegebenen Pandemiebedingungen so lange wie möglich offenzuhalten sind. Es ist inakzeptabel, dass die Universität Hamburg jetzt aufgrund schlechter Organisation und unzureichender technischer Ausstattung einen schleichenden Wechsel in den Online-Modus vollzieht. Zurückzuführen ist dieses Desaster auch auf die Sparpolitik der Hamburgischen Bürgerschaft, die offenbar die Forschung und Lehre systematisch austrocknen will“, so Malte Deutschmann für den Fachschaftsrat Rechtswissenschaft.
„Präsenzlehre ist ein essentieller Bestandteil des Studiums. Auch Lehrende brauchen den direkten Austausch im Seminargespräch, um den Lernerfolg feststellen zu können. Das Präsidium ist in der Pflicht, zu möglichst viel Präsenzlehre zu ermuntern, anstatt Lehrenden Hürden in den Weg zu legen und sie so aus der Präsenz zu drängen“, so Dr. Marc-Olivier Hinzelin Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Geisteswissenschaften und einer der Vertreter der Konferenz des Akademischen Personals im Akademischen Senat. Als Mitglied des Personalrats des Wissenschaftlichen Personals (WIPR) kritisiert er auch, dass der Hygieneplan trotz Ablehnung der die Lehre betreffenden Punkte durch den WIPR von der Universitätsleitung veröffentlicht wurde und eine Überarbeitung bisher nicht erfolgt ist.
"Die schrittweise Öffnung der Universität seit Beginn dieses Semesters war richtig, denn leider kann selbst die beste digitale Lehre nicht Präsenzlehre und den sozialen Austausch an der Uni ersetzen. Die Vorsicht im Umgang mit der COVID-19 Pandemie zum Schutz Studierender und Mitarbeitender ist aber ebenso wichtig. Da die größte Infektionsgefahr von Ungeimpften ausgeht, begrüßt der AStA prinzipiell eine Umstellung auf 2G zum Schutz aller. Wenn solche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, müssen diese aber auch gut umgesetzt werden. Leider bedeutet das jetzige Konzept für die (meist ohnehin prekär beschäftigten) Lehrenden einen erheblichen Mehraufwand oder für viele Studierende das Ende der Präsenzlehre. Es ist sehr bedauerlich, dass die Uni diese Last auf das wissenschaftliche Personal abwälzt und damit nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende sich selbst überlässt", so Vorsitzende des AStAs Lara Thien.