Schnöde Neue Welt: Kritische Einführungswochen im WiSe 22/23
25 October 2022

Photo: AStA UHH
Kritische Einführungswochen „Schnöde Neue Welt“ im WiSe 2022/23
Die Welt ist immer noch schnöde. Deswegen muss die Veranstaltungsreihe, die ihre Schnödnis kartographiert, auch dieses Jahr wieder stattfinden. Schnöde Neue Welt ist die Chance für viele Erstsemester- Studierende, Grundbegriffe linker Gesellschaftskritik kennenzulernen. Schnöde Neue Welt schrubbt den Glanz von der Scheiße. Schnöde neue Welt ist für dich da, wenn du noch gar keine Ahnung hast, enttäuscht dich aber auch nicht, wenn du die Dialektik der Aufklärung als Kopfkissen verwendest. Schnöde neue Welt ist eine Trash-Party ohne Ironie.
DIENSTAG, 01. NOVEMBER 2022 UM 18:30 Uhr
Einführung in die Kapitalismuskritik
Ort: Café Knallhart
So hätten sich utopische Science-Fiction-Fans vergangener Tage die Welt im 3. Jahrzehnt des neuen Jahrtausends vermutlich nicht vorgestellt:
Trotz modernster Anbaumethoden verhungern auch im Jahr 2022 weltweit täglich tausende Menschen; in Deutschland sind allein 1,6 Millionen Menschen auf die Ausgabe abgelaufener Lebensmittel durch Tafeln angewiesen, Tendenz steigend.
Vom Burnout bis zur kaputten Wirbelsäule – ernsthafte psychische und körperliche Erkrankungen sind auch in einer hoch-technisierten Arbeitswelt an der Tagesordnung – während in vielen Ländern der Dritten Welt öfters ganze Minen oder Fabrikhallen über den Köpfen der darin Arbeitenden zusammenkrachen.
Künstliche Intelligenz und Robotik entwickeln sich vielleicht tatsächlich so kühn wie in den Zukunftsromanen und -filmen von früher; aber es erwartet eigentlich niemand, dass KI und Automaten, die den Menschen ja Arbeit abnehmen, die Arbeitszeit tatsächlich verkürzen oder angenehmer gestalten. Viel eher werden sie zu mehr Gehetze und Kontrolle auf der einen und zu mehr Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite führen.
Auch ohne Ukraine-Krieg, Klimakrise und Corona sieht die Welt also nicht unbedingt rosig aus.
Zufall sind die beschriebenen Zustände nicht. Auch haben sie ihre Ursache nicht in der Gier einzelner, nicht in verfehlter Politik und sie sind auch kein Naturschicksal: Armut und ein ruinöses Arbeitsleben haben System, sie sind notwendiges Resultat der kapitalistischen Produktionsweise.
Der Vortrag möchte das begründen. Anhand einer Darstellung der zentralen Bausteine kapitalistischer Ökonomien – Privateigentum, Geld, Kapital und Lohnarbeit – soll eine Einführung in die Kapitalismuskritik im Anschluss an Karl Marx gegeben werden. Es soll dafür geworben werden, die herrschende Wirtschaftsordnung zu attackieren, auch in Zeiten von Krieg, Pandemie und Klimakrise.
Mit Gruppen gegen Kapital und Nation. Die Gruppen gegen Kapital und Nation sind eine linksradikale Organisation. Die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen versuchen die bürgerliche Gesellschaft theoretisch zu durchdringen und die Ergebnisse in verständlicher Form unter die Leute zu bringen. Antinationale und andere Texte finden sich auf: www.gegner.in
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/843198943525847/
DIENSTAG, 29. NOVEMBER 2022 UM 18:30 UHR
Materialistische Rassismuskritik und die deutsche Linke
Ort: Café Knallhart
Es wird oft betont, dass Rassismus strukturell ist und im Zusammenhang mit Macht steht. Auf die Frage nach den konkreten gesellschaftlichen Zusammenhängen und historischen Konstellationen des Rassismus haben aber die Wenigsten eine Antwort. Daraus resultiert die Auffassung, dass den Ursachen rassistischer Gewalt und Unterdrückung durch eine individuelle Auseinandersetzung mit den eigenen „Privilegien” beizukommen wäre. Rassismuskritik wird so auf eine pädagogische Läuterungsmethode deutscher Linker reduziert, die zwar Einigen ein besseres Gefühl vermittelt, den Wenigsten aber praktisch hilft.
Rassismus ist aber kein Phänomen eines falschen Bewusstseins, das durch Reflexion abtrainiert werden kann. Rassismus ist ein soziales Verhältnis, das täglich Gewalterfahrungen produziert. Umso nötiger daher eine Auseinandersetzung, die nicht in allyship abdriftet, sondern bei der sich auch deutsche Linke als aktive Individuen mit eigenem Interesse an der Bekämpfung von Rassismus begreifen. In dem Vortrag werden einige Leerstellen in der deutschen Rassismusdiskussion thematisiert und Ansatzpunkte zu einer materialistischen Kritik an Rassismus und dem Zusammenhang von Rassismus, Kapitalismus und Staat vorgestellt.
Mit Dounia
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/1322539055152280/
DIENSTAG, 13. DEZEMBER 2022 UM 18:30 UHR
Fat is a Feminist Issue. Essstörungen und weibliche Subjektivität im kapitalistischen Patriarchat
Ort: Café Knallhart
Der Zusammenhang von Essstörungen mit Schönheitsidealen und weiteren sexistischen Anforderungen an Frauen ist offensichtlich. Mit einer Analyse der weiblichen Subjektform kann man ihm gesellschaftstheoretisch zu Leibe rücken. Was hat die kapitalistische Sphärentrennung damit zu tun, dass Frauen immer auch verfügbarer und gebärender Körper sein sollen? Wie lässt sich ein emanzipatorischer Umgang mit dem tief eingebrannten Wunsch finden, gleichzeitig begehrenswert und autonom zu sein?
Mit Koschka Linkerhand
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/858566332191327/
MITTWOCH, 11. JANUAR 2023 UM 18:30
"Antifa, Macker, Patriarchat" – Antifaschismus und Männlichkeit
Ort: Café Knallhart
Warum nur will man unbedingt ein Krieger für das Gute sein? So könnte eine Frage lauten, mit der sich nach dem problematischen Verhältnis von autonomem Antifaschismus und Männlichkeit forschen lässt. Einerseits steht die radikale Linke nämlich für das Aufbrechen von Geschlechterrollen und für Antisexismus. Andererseits sind es dann aber doch wieder die immer selben Jungs mit den immer selben Frisuren, die im Antifa-Milieu den Ton angeben – Ausnahmen bestätigen hier, freilich, die Regel. Der Kampf gegen Neonazis erfordert Härte und Aggression, das Bezwingen von Angst und das Eingehen teils erheblicher körperlicher Risiken. Und oft geht er mit bösen gelben Briefen von Ermittlungsbehörden einher. Wer sollte das wollen? In Rückgriff auf männlichkeitstheoretische und sozialpsychologische Erklärungen, die die konflikthafte männliche Sexualität und Identitätsbildung im Patriarchat ernst nimmt, lässt sich zumindest nachvollziehen, welcher subjektive Vorteil sich für die klassische Figur des "Antifa-Mackers" aus all dem ziehen lässt.
Wozu? Sicher nicht, um damit aufzuhören, sich Nazis konsequent in den Weg zu stellen – aber auch nicht, um einfach weiter zu machen wie bisher.
Jeja Klein ist Mitglied der Redaktion queer.de, freie*r Journalist*in und schreibt wöchentlich in seiner nd-Kolumne "Jeja nervt" über Kultur und Politik immer wieder auch über Fragen von Männlichkeit und sexueller Gewalt.
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/490905019862627
DIENSTAG, 17. JANUAR 2023 UM 20:00
Eine feministische Kritik der Menschenrechte.
Von demokratisch, über postmodern bis zu marxistisch.
Ort: Café Knallhart
Am 5. Oktober 1789 zogen die Pariser Marktfrauen zum königlichen Schloss. In ihrer Hand die Menschenrechtserklärung. Die Sache hatte nur einen Haken: Bei den hier proklamierten Menschenrechten waren die mutigen Fischweiber gar nicht mitgemeint. Freiheit und Gleichheit galt erst mal nur für Männer und auch da nicht für alle. Doch war die Idee der Menschenrechte erst mal in der Welt, so auch der Anspruch auf Gleichheit aller davon ausgeschlossenen Gruppierungen. Bis heute hat die Idee der Menschenrechte ihre Kraft für den Kampf der Frauen vielfach nicht eingebüßt, wie zurzeit im Iran im Kampf gegen das Mullah-Regime. Oder auch in Polen, wo die Frauen vielfach im Namen der Menschenrechte gegen das Abtreibungsverbot bekämpfen.
Doch ist gleichzeitig ist die Idee von feministischer Perspektive an den Menschenrechten immer mehr in Verruf geraten. Enttäuschung kam zum einen daher, dass die rechtliche Gleichstellung der Frau im Westen nicht zur realen Gleichheit geführt hat, und zum anderen
daher, dass die Idee der Menschenrechte teilweise als Vorwand benutzt wurde, um Länder des globalen Südens auszubeuten oder gegen diese Krieg zu führen.
Die Kritik an den Menschenrechten hat eine lange Tradition. Schon Marx hat die von ihm als bürgerlich denunzierten Menschenrechtserklärungen auseinandergenommen. Heute kommt die Kritik häufig aus postkolonialer Richtung. Dies ging soweit, dass die Forderung auf Einhaltung der Menschenrechte gegenüber zum Beispiel gegenüber dem Iran, Afghanistan
oder China als imperialistisch denunziert wurde.
Im Vortrag soll sich jedoch nicht nur mit der postkolonialen Kritik am Menschrechtsdiskurs auseinandersetzt werden, sondern auch eine marxistische, feministische Kritik an diesem entwickelt werden.
Mit Andra Trumann.
Trumann hat zahlreiche Veröffentlichung zu feministischer Theorie und beschäftigt sich im Berliner AK Wissenskritik mit Bevölkerungspolitik, Naturbegriffen und Gentechnologie.
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/1137921163537833/
DIENSTAG, 24. JANUAR 2023 UM 18:30
New Critique/Schnöde Neue Welt Abschlussgala
Ort: Café Knallhart
Wir möchten euch die New Critique, das gesellschaftskritische Studierendenmagazin an der Uni Hamburg, vorstellen und euch in Form eines Workshops einen Einblick in einen unserer inhaltlichen Schwerpunkte geben: Kritik der Universität im Kapitalismus. Es gibt einen
Sektempfang und ein Gewinnspiel, bei dem ihr gesellschaftskritische Bücher zu den Schwerpunktthemen „Uni im Kapitalismus“ und „Feuer und Flamme der Depression!“ gewinnen könnt.
Universitäre Wissenschaft schmückt sich gerne damit, „der Menschheit“ zu dienen – auch manche Studierende beziehen sich gerne auf einen solchen vermeintlich „emanzipatorischen“ Charakter ihrer Wirkungsstätte.
Der Workshop möchte einen Kontrapunkt setzen: Mit einem Schwerpunkt auf die Naturund Ingenieurswissenschaften soll aufgezeigt werden, inwiefern Universitäten nicht abstrakt der Menschheit, sondern recht konkret dem Kapital dienen – und wieso sie das paradoxerweise gerade dadurch tun, dass sie dem unmittelbaren Profitstreben entzogen sind. Unter Rückgriff auf Karl Marx' "Kapital" wird dargestellt, welche Rolle Wissenschaft im Kapitalismus spielt, um dann darauf einzugehen, wie das Verhältnis von Staat, Kapital und Universität beschaffen ist.
Über das Referierte soll anschießend diskutiert werden.
Es referiert ein Redaktionsmitglied der „New Critique – Zeitschrift für und wider“.
Weitere Infos zur Zeitung sowie Links zu den Artikeln unter: www.nc-uhh.de
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/3362041214048755