Offener Brief zur Situation im Iran
30 November 2022

Photo: Azul
Forderungen und Visionen für den Iran
Wir sind eine Gruppe von iranischen und Hamburger Studierenden, sowie von Exil-Iraner:innen in Hamburg und Deutschland. Wir wenden uns mit diesem offenen Brief an die Politik und Gesellschaft in Hamburg, Deutschland und Europa.
Die Situation im Iran ist seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 revolutionär. Täglich protestieren Menschen gegen das repressive Regime. Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit all diesen mutigen Menschen, die im Iran für ihre Freiheit sowie für ein gutes Leben kämpfen und dabei alles auf das Spiel setzen.
Wir haben folgend einige politische Forderungen und Visionen für einen zukünftigen Iran zusammengetragen.
Diese sollen als Unterstützung zur Herbeiführung von demokratischen Zuständen im Iran dienen.
Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, dass politische und gesellschaftliche Akteur:innen hier in Deutschland für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten. Durch zielgerichtetes, tatkräftiges Handeln sollen die Iraner:innen bestmöglich unterstützt werden!
Unsere Forderungen und Visionen für den Iran:
- Bekenntnis zur Demokratie: Ein säkulares und demokratisches Parlament, das repräsentativ für die Bevölkerung und frei von Korruption ist.
- Sicherheit und Gleichberechtigung: Ein sicheres, freies und gleichberechtigtes Leben für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Ethnie und sexueller Orientierung.
- Gleichberechtigung für Frauen: Ein selbstbestimmtes Leben für Frauen, ohne unterdrückende Vorschriften und Regeln.
- Schutz vulnerabler Gruppen: Besondere Rücksichtnahme auf Kinder, Menschen mit Behinderung und andere schutzbedürftige Mitglieder der Gesellschaft.
- Freie und säkulare Bildung: Freier Zugang zu Bildungseinrichtungen sowie eine konsequente Trennung von Staat und Religion. Außerdem freie Ausübung von Wissenschaft, Forschung und Kunst.
- Freilassung aller völkerrechtswidrig Gefangenen. Wir als Studierende fordern insbesondere die Freilassung gefangener Studierender und Schüler:innen.
- Religionsfreiheit: Freie Ausübung ohne Angst vor Repressionen haben zu müssen.
- Presse- und Meinungsfreiheit: Freilassung aller festgenommenen Journalist:innen.
- Kunst- und Medienunabhängigkeit: Künstlerische und mediale Freiheit ohne Zensur und andere Wege der Einflussnahme von Seiten der Regierung.
- Freier und unzensierter Zugang zum Internet.
- Auflösung der Sittenpolizei.
- Stopp aller staatlichen Überwachungsmaßnahmen: Beispielsweise staatliche Videoüberwachung oder Gesichtserkennung.
- Einsatz für eine zukunftsorientierte Politik, die Chancen für die nächste Generation eröffnet: Klimagerechtigkeit, erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz, Artenschutz etc.
- Einsatz für den Frieden in der Region: Stopp der Kooperation mit Extremist:innen und dem autokratischen System (wie z.B. Drohnenlieferungen an Russland). Stopp der Angriffe auf Minderheiten (wie z.B. Kurd:innen).
Unsere Forderungen an die deutsche und europäische Politik:
- Verschärfung und Erweiterung der Sanktionen gegen die Islamische Regierung und die Revolutionsgarde sowie ihren Angehörigen.
- Stopp der wirtschaftlichen Kooperation mit der aktuellen iranischen Regierung. Dazu gehört die Untersuchung von Unternehmen in Deutschland und der EU, die mit dem iranischen Regime kooperieren, und z. B. die Abschottung des Internets im Iran gebilligt oder aktiv dazu beigetragen haben (bspw. das Unternehmen “Softqloud” in Meerbusch)
- Nichterteilung von Aufenthaltstiteln für Angehörige des Regimes oder der Revolutionsgarde und Menschen, die mit ihnen kooperieren, sowie ihren Familien – auch wenn diese für Studienzwecke beantragt werden.
- Einfrieren von Konten der Angehörigen und Verwandten des Regimes.
- Sofortiger Abschiebestopp in den Iran. Keine Benachteiligung bei der Erteilung von Visa und Aufenthaltstitel und Gewährung von Asyl für Iraner:innen, die nicht dem iranischen Regime angehören. Wir als Studierende fordern dies insbesondere für iranische Studierende.
- Überprüfung und Beobachtung der iranischen Diplomat:innen, da sie nicht die Gesellschaft im Iran, sondern das Regime repräsentieren. Bekannterweise nutzen die Diplomaten ihren Status aus, um ein Sicherheitsrisiko für die iranische Exil-Community sowie die europäische Bevölkerung und Wirtschaft darzustellen (etwa durch Spionage, Drohungen und Geldwäsche). Daher fordern wir eine Überwachung der Diplomaten und ihrer Mitarbeiter:innen und ggf. ihre Ausweisung.
- Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH, Blaue Moschee), solange es mit dem iranischen Regime und extremistischen und islamistischen Organisationen kooperiert.
- Sicherheit und Schutz vor Verfolgung (durch den iranischen Geheimdienst) für Exil-Iraner:innen in Deutschland.
- Verbesserte und genauere Berichterstattung über die Situation im Iran in den deutschen und europäischen Medien. Es soll Druck auf die iranische Regierung ausgeübt werden. Es sollen ausländischen und unabhängigen Journalist:innen Aufenthalts- und Berichterstattungserlaubnisse gewährt werden.
- Bei Neuwahlen nach der Revolution: Schutz der Wahlen durch EU- und UN-Wahlbeobachter:innen.
Wir wollen unsere Stimmen gegen die im Iran stattfindende Ungerechtigkeit erheben und demokratische Werte schützen. Wir fordern alle Teile der Gesellschaft und die Politik dazu auf, die Iraner:innen, insbesondere unsere Kommiliton:innen im Iran, in ihrer Revolution gegen ein repressives, gewaltsames Regime zu unterstützen.
Diese Situation erfordert es, über die jetzigen Ereignisse zu informieren, auf die Straße zu gehen und laut zu sein. Sie erfordert vor allem Verurteilung und Sanktionen aus der deutschen und europäischen Politik. Das Regime soll wissen, dass jede Straftat auch außerhalb des Irans gesehen und Konsequenzen haben wird.
Deswegen appellieren wir explizit an deutsche und europäische Politiker:innen:
Unterstützen Sie die Forderungen iranischer und Hamburger Studierenden auf lokaler, regionaler, Bundes-, EU- und internationaler Ebene. Lassen Sie uns gemeinsam die Bewegung für Demokratie und Menschenrechte im Iran unterstützen und dafür sorgen, dass sie erfolgreich wird.
Für Demokratie und ein friedliches Leben im Iran.
Für Frau, Leben, Freiheit.
Zan, Zendegi, Azadi.
Jîn, Jiyan, Azadî.
Gezeichnet,
Hamburger Studierende, Iranische Studierende und Exil-Iraner:innen aus Hamburg und Deutschland
Mit Unterstützung von:
AStA der Universität Hamburg,
AStA der Hafencity Universität,
AStA der Hochschule für Musik und Theater (HfMT),
Awareness-Team HfMT,
JUSO-Hochschulgruppe UHH,
Medizin & Menschenrechte Hamburg,
GRÜNE JUGEND Hamburg
Pressekontakte:
Paula Rüdiger
Referentin für äußere Hochschulpolitik,
AStA der Hochschule für Musik und Theater (HfMT),
paula.ruediger"AT"hfmt-hamburg.de
Katharina Müller
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Presse
AStA Universität Hamburg
katharina.mueller"AT"asta.uni-hamburg.de