Stellungnahme zur Demo zur Öffnung der Universität während COVID-19
23. November 2020, von Karim Kuropka

Foto: Photo by Michelle Tresemer on Unsplash
Am Dienstag, dem 24.11.2020, wollen einige Studierende für die Öffnung der Universität auf die Straße gehen und fordern im Rahmen der Demo die Ermöglichung von Präsenzlehre.
Öffnung momentan zu riskant
Wir, der AStA der Universität Hamburg, möchten klarstellen, dass wir diese Forderung nicht unterstützen und angesichts weiterhin hoher Infektionsraten äußerst kritisch sehen. Wir stecken nach wie vor mitten in der zweiten Welle der Pandemie und für uns ist klar, dass der Gesundheitsschutz und der Schutz von Risikogruppen momentan an erster Stelle steht. Jetzt das Risiko einzugehen und die Universität komplett zu öffnen, wäre äußerst fahrlässig und unsolidarisch gegenüber vielen Kommiliton*innen, dem Lehrpersonal und auch gegenüber dem Hamburger Krankenhauspersonal.
Dazu Leo Schneider, erster Vorsitzender des AStA: „Auch wir sehnen uns danach, wieder einen vernünftigen Uni-Alltag aufzubauen und tun alles dafür, dass wir langsam wieder dahin zurück kommen. In der aktuellen Situation Präsenzlehre für 43.000 Studierende zu fordern, ist jedoch verantwortungslos und unsolidarisch.“
Klare Distanz zu Coronaleugner*innen, Querdenken und vergleichbaren Gruppen
Der AStA kritisiert darüber hinaus, dass die Veranstalter*innen der Demo mit ihrer rücksichtslosen Forderung nach Präsenzlehre die von COVID-19 ausgehende Gefahr verharmlosen und Narrative bedienen, die derzeit vor allem von rechten und rechtsradikalen Gruppen propagiert werden. Den verantwortlichen Fachschaftsräten und politischen Gruppen scheint es keine Sorgen zu bereiten, den inhaltlichen Schulterschluss mit Corona-Schwurbler*innen, Verschwörungstheoretiker*innen und Reichsbürger*innen zu wagen, während andere ihr Möglichstes tun, um die Pandemie einzudämmen und trotzdem die Lehre aufrecht zu erhalten. Wir verurteilen diese Verantwortungslosigkeit aufs Schärfste und möchten alle Studierenden warnen, sich in derartige Verirrungen einspannen zu lassen.
Es ist umso bedauerlicher, dass gerade jene politischen Gruppen im Von-Melle-Park 5 vom Universitätspräsidium einen eigenen Raum bekommen haben und sich dort ohne konsequente Einhaltung der Hygieneregeln oder der Verfügungen der Stadt treffen und organisieren können. Vor dem Hintergrund, dass ein Raum der fraglichen Größe auch als Lernraum für Studierende genutzt werden könnte, fordern wir das Präsidium nachdrück auf, diese Vergabe zu überdenken und den Raum einer sinnvolleren Nutzung zuzuführen.
Teilweise Öffnung möglich bei niedrigen Infektionszahlen
Deutlich wollen wir auch betonen, dass wir, wenn das Infektionsgeschehen eine sichere und langsame Öffnung der Universität möglich macht, diesen Vorgang auf jeden Fall begrüßen. Auch hierbei muss allerdings die Anbindung von Risikogruppen stets im Vordergrund stehen, ob mittels hybrider Lehre oder besonders kleiner Kurse. Erst dann wäre die Öffnung der Uni wirklich solidarisch.
Echte Lösungen statt Nebelkerzen: Solidarsemester und echte soziale Absicherung
Anstatt sinnlose Diskussionen über Präsenzlehre und die Öffnung der Universität zu führen, fordern wir wirkliche soziale Unterstützung für die Studierenden. Die Pandemie und ihre Folgen haben die prekäre Lage vieler Studierenden sichtbar gemacht und es braucht endlich tragfähige und effektive Hilfen für Studierende, seitens der Universität, aber vor allem von Land und Bund. „Universität und Bürgerschaft müssen endlich rechtlich absichern, dass die digitalen Semester nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet werden, damit diejenigen, die während der Krise schon eine große Last tragen, nicht auch noch beim Studium unter enormen finanziellen und psychischen Druck geraten.“, so Kathleen Lohmann, zweite Vorsitzende des AStA. Ebenfalls fordern wir, dass Fehlversuche bei Klausuren und anderen Prüfungen aufgrund der allgemein suboptimalen Umstände nicht angerechnet werden.
Es ist außerdem höchste Zeit, dass sich die Bundesministerin für Forschung und Bildung endlich ihrer Verantwortung bewusst wird und ihre Blockade gegen die Öffnung des BAföGs aufhebt. Die Konditionen der bisher angebotenen Hilfen machen diese für die meisten Studierenden gar nicht erst zugänglich oder eben enorm unattraktiv und entfalten dadurch keine Wirksamkeit. Frau Karliczeks Unverständnis der Lage an den Universitäten und ihr Nichthandeln sind sogar im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen ein absolutes Armutszeugnis und ihr Rücktritt ist längst überfällig.
Digitale Lehre verbessern
Die Universität selbst dagegen muss dringend klare Standards der digitalen Lehre ausarbeiten. Es darf nicht sein, dass Lehre aufgrund des Onlinesemesters derartig stark in der Qualität schwankt. Es muss außerdem klar kommuniziert werden, welche Form der digitalen Lehre stattfindet und wie man Zugriff erhält. Leider verbringen viele Studierende viel Zeit mit der Suche nach den Lernmaterialien oder Links für Zoom-Veranstaltungen. Dies ist vor allem für internationale Studierende eine Katastrophe.
Uni als Lernraum bewahren
Wichtig ist außerdem, dass die Universität ein Raum des Lernens bleibt. Studierende müssen die Möglichkeit haben, die Bibliotheken aufzusuchen und Lernräume in den universitären Gebäuden zu nutzen. Nicht alle Studierenden haben zuhause einen ausreichend großen Arbeitsplatz, geschweige denn die nötige ruhige Arbeitsatmosphäre. Außerdem führt die nicht vorhandene Teilung von Arbeitsplatz und Freizeitort häufig zu Stress und psychischer Belastung, da man seine Wohnung als psychischen Rückzugsort verliert. Die Universität steht hier in der Pflicht den Hygienebestimmungen entsprechend Lernplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen und zumindest den teilweisen Zugang zu Bibliotheken zu sichern.
Karim Kuropka
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit AStA Uni Hamburg
karim.kuropka"AT"asta.uni-hamburg.de