COP 26 - Conference of Polluters
10 January 2022

Photo: David Rico
Gut zwei Monate ist es her, dass wir am letzten Tag der COP26 mit tausenden Aktivist*innen durch die Hallen der UN-Weltklimakonferenz liefen - Sprüche rufend und schreiend, lachend und wütend. Wir haben klar gemacht: Nicht mit uns. Diese COP hätte Geschichte schreiben können, Geschichte schreiben müssen, und doch sind wieder nur leere Versprechungen und unzureichende Absichtserklärungen gemacht worden.
- Die COP26 in Glasgow: Eindrücke einer Klimagerechtigkeitsaktivistin.
“Uniting the World to tackle Climate Change” - “Die Welt zusammenbringen, um den Klimawandel anzupacken”.
Aber starten wir mit ein paar warmen Worten. Die Klimakonferenz basiert nämlich prinzipiell auf einer ziemlich guten Idee. Voraussetzung ist die Anerkennung der Klimakrise. Ja, es gibt sie tatsächlich und das haben die Leute sogar schon 1992 bei der Klimarahmenkonvention in Rio de Janeiro erkannt. Nicht nur das, es wurde anerkannt, dass die Klimakrise ein globales Problem ist, also den gesamten Planeten und seine gesamte Bevölkerung betrifft und nur wir es sind, die sie noch irgendwie aufhalten können.
Die Fridays for Future Aktivist*innen aus den betroffenen Regionen bezeichnen sich selbst als MAPA – das steht für Most affected People and Areas. MAPA kämpfen schon seit Jahrzehnten für Klimagerechtigkeit. Sie haben am meisten Anrecht darauf, wütend zu sein und Gerechtigkeit einzufordern und doch wurden sie am wenigsten gehört. Und damit kommen wir zur Exklusivität.
Exklusivität
Um überhaupt nach Glasgow zu kommen, sind wir aus Hamburg 14 Stunden in 4 unterschiedlichen Zügen gefahren. Von Hamburg über Köln nach Brüssel, dann weiter nach London und Glasgow. Die Fahrt hat Geld und Zeit gekostet, zu fliegen wäre natürlich günstiger gewesen. Aber das ist nichts gegenüber den Menschen, die aus Afrika, Nord- und Südamerika, Asien oder Australien anreisen. Die Staats- und Regierungsvertreter*innen können sich die Anreise leisten, kriegen sie sogar bezahlt. Hinzu kommt, dass nur Menschen, die bereits durchgeimpft sind, anreisen dürfen - freundliche Grüße an die globale Verteilung der Impfstoffe an dieser Stelle.
Wenn Menschen es geschafft haben in Glasgow anzukommen, stellt sich die nächste Frage: Wo kann ich für zwei Wochen unterkommen? Die Hotel-, Hostel- und Airbnb-Preise sind für den Zeitraum der COP immens in die Höhe gestiegen, haben sich teilweise verzehnfacht. Während Regierungsvertreter*innen in teuren Hotels nächtigen, kommt die Lösung für die Zivilgesellschaft, surprise, aus der Zivilgesellschaft. Einwohner*innen Glasgows bieten in Form von Human Hotels Aktivistinnen und anderen Menschen an, bei sich unterzukommen.
Okay, jetzt sind wir also in Glasgow angekommen, haben eine Unterkunft gefunden, jetzt fehlt aber der nächste entscheidende Punkt: Um auf das Konferenz Gelände zu gelangen, braucht man eine sogenannte Akkreditierung, quasi die Eintrittskarte für die COP. Die Anzahl der Akkreditierungen ist begrenzt. Sie sind bestimmt für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, also für Nichtregierungsorganisationen, Delegierte, Presse. Wir als Aktivist*innen von Fridays for Future bekommen keine Akkreditierung, wir müssen NGOs anfragen und können über diese dann an eine Akkreditierung kommen. Da spielen Kontakte eine große Rolle. Wir aus Deutschland haben Glück, denn es gibt vergleichsweise viele Klima- und Umweltorganisationen, die uns auch sehr zugewandt sind. Das sieht in anderen Ländern ganz anders aus. MAPA stehen vor weitaus größeren Hürden, um an eine solche Akkreditierung heran zu kommen. Das führt dazu, dass auch unter uns Aktivist*innen der globale Norden, ja auch und vor allem Deutschland, überrepräsentiert ist. Dabei sind es MAPA, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, die am meisten unter den Machenschaften der Politiker*innen aus dem globalen Norden leiden müssen, die seit Jahrhunderten von ihnen ausgebeutet werden. Die Welt ist verdammt ungerecht und das ist hier auf der COP26 unübersehbar.
Aktivismus
Hinzu kommt, dass die Security dort natürlich sehr präsent ist. Für Menschen, die in ihrem Leben schon traumatisierende Erfahrungen mit Menschen in Uniformen und/oder in Machtpositionen machen mussten, vor allem also schwarze Menschen und BIPOC die verstärkt von Polizeigewalt betroffen sind, können solche Situationen unglaublich stressig sein. Das führt dazu, dass Menschen, die teilweise am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und am stärksten das Anrecht darauf haben, zu protestieren, am meisten in Gefahr sind ihr Badge zu verlieren und triggendere Erlebnisse mit der Security zu erfahren.
Wir haben vor Ort jeden Tag Aktionen gemacht, fast immer angeführt und geleitet von MAPA-Aktivisti und indigenen Menschen. Und doch haben wir uns meistens an die Regeln gehalten. Aus Angst vor Konsequenzen, vor schlimmen Erfahrungen, davor andere mit reinzuziehen. Wir waren laut, aber nicht zu laut. Und selbst wenn wir noch lauter gewesen wären – die Verhandelnden hätten es vermutlich trotzdem nicht mitbekommen. Sie wurden ganz bewusst abgeschirmt vom Rest des Geschehens.
Verhandlungen und Beschlüsse
2 Kernziele, die bei der COP26 beschlossen wurden:
1,5° Grad-Grenze
Reduktion von Kohle und Subvention von ineffizienten fossilen Energien
Erstmals wurde im Abschlusstext anerkannt, dass fossile Energien Hauptverursacher für die Klimakrise sind und dass wir aus ihnen aussteigen müssen. Das wurde als großer Erfolg gefeiert! Dass die größte Delegation vor Ort aber aus über 500 Interessenvertreter*innen aus fossilen Energien bestand und damit größer war als die Delegationen von Puerto Rico, Myanmar, Haiti, die Philippinen, Mosambik, die Bahamas, Bangladesh und Pakistan zusammen, wird dabei nicht beachtet.
Hinzu kommt, dass im letzten Moment wurde der Vertragstext, auf Wunsch insbesondere von China und Indien, (welche digital dazugeschaltet waren) von “phase-out” (Ausstieg) zu “phase-down” (herunterfahren) geändert wurde. “Phase-down” kann also alles sein, was sich zwischen 0,1% und 50% bewegt.
Bei der Senkung der Subventionen in fossile Energien, wurde sich im Übrigen darauf geeinigt, dass nur die “ineffizienten” Subventionen gesenkt werden sollen - was das genau bedeutet, weiß niemand.
Auszug aus dem Originaltext: “Accelerating efforts towards the phase-down of unabated coal power and inefficient fossil fuel subsidies, recognizing the need for support towards a just transition”
Weitere Ergebnisse
(Finanzielle) Unterstützung des globalen Südens (ohne Sanktionen bei Nichtzahlung)
Regelbuch für das Pariser Klimaabkommen
Waldschutz
Methan-Reduktion
Subventionen von fossilen Brennstoffen im Ausland
Verbrenner-Ausstieg
Was nehmen wir daraus mit?
Sowie es die Pflicht der deutschen Regierung ist, endlich global gerechten Klimaschutz umzusetzen, Finanzierungshilfen für betroffene Regionen zu stellen und seiner Verantwortung als einer der führendsten Industriestaaten und damit Hauptverursacher der Klimakrise gerecht zu werden, ist es unsere Verantwortung als deutsche Bürger*in oder Teil des globalen Nordens, unsere Privilegien zu nutzen und für Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Diese Art des Protests hier ist keine Selbstverständlichkeit, unsere Schulstreiks keine Unanständigkeit, aber unsere Empörung und das Nutzen unserer Möglichkeiten eine Notwendigkeit.
Die Veränderung kommt nicht von der Klimakonferenz, von den Regierungsvertreter*innen in ihren großen Sälen. Die Veränderung kommt von der Straße, die Veränderung kommt durch uns. Die Klimakrise bewältigen wir nicht im Elfenbeinturm des globalen Nordens, wir bewältigen sie nur, wenn wir uns zusammenschließen mit allen Ländern der Welt. Nur, wenn wir MAPA zuhören, immer und immer wieder und ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihr Recht auf Leben anerkennen und dafür kämpfen. Fast alle Reden, die in Glasgow bei den verschiedensten Protest-Aktionen gehalten wurden, wurden von MAPA gehalten. Von indigenen Menschen, von BIPOC, unglaublich starken Menschen, unglaublich inspirierenden Aktivist*innen. Bei den Verhandlungen auf der COP26 sieht das leider anders aus; dem globale Süden wird viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als dem globalen Norden. Es wird über die Klimakrise gesprochen, ohne denjenigen zuzuhören, die schon längst unglaublich stark von ihr betroffen sind.
Das müssen wir ändern, das werden wir ändern. Machst du mit?
MAPA-Instagram-Follower*innen-Empfehlungen:
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Loss & Damage Youth Coalition (@lossdamageyouth)
Text: Inga Mülheims, Referat für soziale Bewegungen (Koordination Klimagerechtigkeit)