Warum Flugscham und Veganismus unseren Planeten nicht retten können // NC-UHH #1
16 March 2021, by Fridays For Future Hamburg
„Fang doch erst mal bei dir selbst an!“. Diesen Satz hören Klimaaktivist:innen so häufig, dass es kaum noch mitzuzählen ist. Damit wird nicht nur impliziert, dass wir Schuld an der Klimakrise seien, sondern auch von uns erwartet, dass unser „ökologischer Fußabdruck“, also unser individueller Konsum, dem Ideal, einem klimaneutralen Leben, entsprechen muss. Dabei wird weitestgehend ignoriert, dass der „ökologische Fußabdruck“ eigentlich ein Begriff ist, der von der fossilen Industrie geprägt wurde, zur Ablenkung von ihrer Verantwortung, ihre angerichteten Schäden rückgängig zu machen. Wieso messen wir die Klimaschädlichkeit unseres individuellen Verhaltens an etwas, das von Akteuren wie der Kohlelobby in irreführenden Kampagnen in den allgemeinen Sprachgebrauch gebracht wurde? Nicht „perfekt“ zu sein, darf uns nicht davon abhalten, für eine gesellschaftliche Veränderung zu kämpfen!
Im Schnitt ist jede:r Deutsche pro Jahr für circa acht Tonnen CO2 verantwortlich.1 Das, was von der Natur kompensiert wird, sind lediglich zwei Tonnen. Wichtiger als über die 9 Tonnen Differenz zu dem individuellen CO2-Ausstoß zu reden ist sich klar zu machen, wer die Hauptverantwortlichen in dieser Krise sind. Denn während wir hier über unseren ökologischen Fußabdruck philosophieren, spüren Menschen am anderen Ende der Welt bereits die Kehrseite der zahlreichen klimapolitischen Fehlentscheidungen. Seit Jahren spüren Menschen im globalen Süden die gravierenden Folgen des Klimawandels in Form von immer stärker werdenden Fluten und Umweltkatastrophen2 und mit den Feuern in Kalifornien ist jetzt auch in der „westlichen Welt“ eindeutig zu spüren, dass die Zeit zu handeln schon vorgestern war.
Die Ursache dafür ist weniger, dass ein Individuum gestern Fleisch gegessen hat, sondern dass 100 Unternehmen für circa 71 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind.3 Um das zu ändern, müssen wir uns kein veganes Kochbuch kaufen, sondern uns gemeinsam gegen unser zerstörerisches, menschenverachtendes politisches System auflehnen!
Damit die schlimmsten Folgen der Klimakrise verhindert werden können, müssen jetzt realpolitische Maßnahmen getroffen werden, die unsere Emissionen drastisch senken und innerhalb kürzester Zeit weltweit auf null bringen. Andernfalls könnten wir unter anderem durch die Überschreitung von Kipppunkten, wie dem Schmelzen des Permafrostes schon in wenigen Jahren auf einem Planeten leben, der sich von allein immer weiter erhitzt. Damit einhergehen würden Umweltkatastrophen, riesige Regionen, die durch Hitze und den Anstieg des Meeresspiegels unbewohnbar werden würden, und das zur Flucht zwingen von bis zu einer Milliarde Menschen.
In diese größte Krise unserer Zeit hineingeführt hat uns die Politik, die das Wachstum der Wirtschaft und das Motto „weiter, schneller, höher“ durchgängig über das Wohl von Mensch und Natur stellt. Dies ist zuletzt im Laufe der Corona-Krise sichtbar geworden. Anstatt darüber zu reden, wie wir eine ökologische Wirtschaft aufbauen und den Menschen im Gesundheitssektor helfen können, wurde zuerst bei großen Gipfeln darüber debattiert, wie man der Automobilbranche schnell aus der Krise verhelfen könne. Dennoch hat die Politik in der Coronakrise gezeigt, dass es möglich ist, Krisen zu bekämpfen. Nun muss dies auch bei der Klimakrise passieren. Wir müssen unsere Welt und unsere Gesellschaft völlig neu denken. Dabei über den individuellen Konsum zu reden, ist nichts als eine Ablenkung von unserem eigentlichen Problem. Wir müssen unsere Gesellschaft vorantreiben, raus aus dem fossilen Zeitalter und in eine Welt, in der saubere Luft und gesunde Wälder überall selbstverständlich sind. Bei der Bekämpfung der Klimakrise dürfen wir nicht an Verbote denken. Wir müssen dabei eine Vision entwickeln von einer Welt, die wir lebenswert fänden. Eine, in der die Biodiversität gewährleistet ist, wo die Langlebigkeit von technischen Geräten nicht im Widerspruch zum Interesse der Produzierenden steht und in der unsere Energie aus sauberen Quellen kommt.
Das alles sind Zustände die unser Leben lebenswerter machen würden und nach denen wir streben sollten. Das sind aber auch Dinge, die wir uns leider angesichts des momentanen Politikversagens gemeinsam erkämpfen müssen. Aber diesem Kampf kann sich jede:r anschließen. Egal ob freitags auf der Straße, in der Kohlegrube bei Blockaden oder anderswo.
Momentan bedroht die Klimakrise absolut alles, was wir haben und sie wird alles verändern, wie wir es kennen. Trotzdem können wir gemeinsam eine Welt schaffen, in der wir in Gerechtigkeit und im Einklang mit der Natur zusammenleben.
__________
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153528/umfrage/co2-ausstoss-je-einwohner-in-deutschland-seit-1990/
[2] https://germanwatch.org/de/18535
[3] https://www.cdp.net/en/articles/media/new-report-shows-just-100-companies-are-source-of-over-70-of-emissions