Ein Geologischer Exkurs zum Klimawandel // NC-UHH #1
15 March 2021, by Atti
Die Erde erfährt durch unsere Anwesenheit gewaltige Veränderungen, das dürfte inzwischen den meisten bewusst sein. Die Temperatur und der Meeresspiegel steigen, Arten sterben aus, unsere Gletscher schmelzen, das Ozonloch wird immer größer und wir verbrauchen weiter fossile Rohstoffe, obwohl wir wissen, dass wir nicht mehr viel davon haben. „Positive Rückkopplung“ heißt die Systematik, in der verschiedene Faktoren eines Systems sich gegenseitig verstärken. Ein klassisches Beispiel ist die steigende Temperatur, die das Schmelzen der Polkappen, Gletscher und Eisschilde begünstigt und dadurch den Meeresspiegel ansteigen lässt. Weniger Eiskappen und ein steigender Meeresspiegel wiederum erleichtern es der Sonne, die Ozeane aufzuwärmen - in der Folge schmilzt darin befindliches Eis leichter und schneller.
Seit knapp zwei Jahren machen junge Menschen, unterbrochen nur vom Corona-Sommer, mit wöchentlichen Protesten und Demonstrationen auf die Dringlichkeit des menschengemachten Klimawandels aufmerksam. Dabei sollten wir uns bewusst machen, dass wir gerade erst die Folgen des menschlichen Handelns der vergangenen Jahrzehnte erleben. Selbst wenn wir unser Verhalten umgehend und radikal ändern, werden die Auswirkungen dieses Wandels erst Jahre später sichtbar. Die verschiedenen menschengemachten Veränderungen des Systems Erde sind ein komplexes Problem, das entsprechend komplexe Lösungsstrategien erfordert.
Von den bisherigen Ideen, die die Welt retten sollen
Elektro-Fahrzeuge und erneuerbare Energien wie Wind und Wasser sollen Fortschritt, unseren aktuellen Ressourcenverbrauch und die Endlichkeit bestimmter natürlicher Ressourcen in Einklang bringen. Doch für die Herstellung von Konsumgütern des modernen Lebens, z.B. E-Roller und Handys, werden immer noch seltene Erden verwendet und wir haben bislang keine Möglichkeiten, diese vollständig zu recyceln oder wiederzuverwenden.
Unbekannter hingegen sind Maßnahmen, die direkt in die Natur eingreifen, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen: Zum Beispiel gibt es eine Technik, bei der Gletscher mit einer weißen Plane überdeckt werden, um Albedo – die Reflexion des Sonnenlichtes auf Oberflächen – zu erhöhen. Das soll das fortschreitende Abschmelzen verhindern. Bei großen Eiskappen, zum Beispiel in der Antarktis, wird dies jedoch kaum etwas nützen, da die Flächen zu riesig und unbegehbar sind. Lediglich für kleine touristische Gletscher ist dieser Vorschlag eine Option. Auch weiß bemalte Bergspitzen könnten den Albedo-Effekt unterstützen. Diese Idee ist allerdings in mehrerlei Hinsicht gescheitert: Nicht nur ist die praktische Umsetzung viel zu aufwändig, auch die in Versuchen verwendete Farbe hielt der Witterung auf Dauer nicht stand.
Das sogenannte Geoengineering – also großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische Kreisläufe der Erde – verfolgt zwei Hauptansätze: die Verringerung der Sonneneinstrahlung (SRM: Solar Radiation Management) und das (temporäre) Speichern und Lagern von Treibhausgasen (CDR: Carbon Dioxide Removal). Geoengineering eint vielschichtige Ideen und Ansätze. Überlegungen wie die Aufforstungen scheinen zunächst naheliegend. Das Pumpen von Schwefeldioxid in die Stratosphäre (inspiriert durch Temperaturabfall bei großen Vulkanausbrüchen) oder riesige Spiegel im All muten hingegen ungleich verrückter an. Allerdings ist nicht vorauszusehen, welche unerwünschten Nebenwirkungen solche Maßnahmen haben. Wir wissen noch viel zu wenig, um zu berechnen, ob derartige Projekte funktionieren könnten – oder am Ende alles noch schlimmer machen.
Seit dem Bericht des Weltklimarats (IPCC) 2018 ist man sich einig, dass ein Temperaturanstieg von 1,5°C bis zur Hälfte des Jahrhunderts verhindert werden muss. Dafür müssen unsere Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf null fallen – und zwar weltweit. Das Pariser Abkommen wurde mittlerweile von 189 Ländern ratifiziert. Nach aktuellem Stand wird kaum eines dieser Länder seine Ziele bis 2050 erreichen. Eine weiterhin stetig steigende Wirtschaftskraft wird zu einem Anstieg der Temperatur um 3 bis 5°C zum Ende des Jahrhunderts führen.
Die meisten aktuellen Pläne der Staaten sehen vor, weitere und überschüssige Treibhausgase mithilfe von Carbon Capture and Storage (CCS) aus der Atmosphäre zu ziehen. CCS, ebenfalls ein Projekt aus dem Bereich des Geoengineering, verspricht, CO2 in Gestein zu lagern. CCS ist eine vielversprechende Übergangslösung, bisher allerdings noch weit davon entfernt, in den Größenordnungen zu funktionieren, die notwendig wären.
Was können wir tun?
Diese Lösungssuche beginnt in der Forschung, was hohe Investitionen in die Erforschung umweltfreundlicher Technologie notwendig macht. Um heutige Vorgänge erkennen zu können, müssen wir die Erdgeschichte verstehen und interdisziplinär arbeiten. Besonders über die Risiken und Möglichkeiten des Geoengineering muss mehr in Erfahrung gebracht werden.
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist die Transformation des Energiesektors. In den meisten Ländern sind Industrie und Transport die größten Energieverbraucher. Kühlsysteme sind relevant, da digitale Daten, die jeden Tag größer werden und deren Anzahl exponentiell steigt, riesige Server benötigen, die wiederum riesige Kühlsysteme benötigen, die wiederum eine enorme Menge an Emissionen freisetzen. Industrie, Transport und Kühlsysteme müssen daher künftig emissionsfrei laufen.
Der Druck von sozialen Bewegungen wie Fridays for Future ist ein wichtiges politisches Mittel, um Fragen des menschengemachten Klimawandels und dessen Verhinderung in jeden Teil der Gesellschaft zu tragen und Veränderungen anzustoßen.
Eine erste Orientierung für unser globales und individuelles Verhalten, für die notwendigen politischen und wirtschaftlichen Transformationen kann das folgende Zitat von US-amerikanische Aktivist und Folk-Sänger Pete Seeger bieten, der treffend beschreibt: “If it can’t be reduced, reused, repaired, rebuilt, refurbished, refinished, resold, recycled or composted then it should be restricted, redesigned or removed from production.”